Die Düsseldorf Cellar Devils schlagen wieder zu

Der amerikanische Weinkritiker und gute Freund Jeff Leve (www.winecellarinsider.com) machte wieder einen Düsseldorf-Besuch. Und wir nutzten das natürlich eine grandiose Best Bottle. Schließlich haben wir als Düsseldorf Cellar Devils ja einen Ruf zu verteidigen.

Der gute Jeff war an diesem Abend nicht der einzige, dem wir mit wohlgereiften Bouteillen den Stress der 13er Bordeaux Primeurverkostung vom Gaumen und natürlich auch von der Seele spülen wollten. Extra aus der Schweiz war „Beckustator“ Yves Beck angereist, etwas näher hatte es Torsten Görke aus Essen.

Als Apero gab es diesmal eine 2010 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Auslese aus der Magnum. Der hatte Kraft, Fülle und Süße, intensive Mineralität und hohen Extrakt, das alles aber bei nur 8% Alkohol. Ein großartiger Auftakt und alles andere als ein Süßwein, denn die Süße wurde perfekt durch die rassige 2010er Säure balanciert, kann und wird sicher noch zulegen – WT93. Als weiterer Apero kam ein 1990 Corton Charlemagne von Bonneau du Martray ins Glas. Der wurde am Tisch gemischt aufgenommen. Ich fand ihn trotz brillanter Farbe, trotz aller Kraft und allen Feuersteins schon ziemlich müde und schlapp mit leicht oxidativen Noten – WT87.

Und schon waren wir in unserem roten Element. Weitgehend von Alt nach Jung wollten wir trinken, was als Probenablauf absolut Sinn macht. So starteten wir auch gleich mit dem Senior des Abend, einem 1907 Chateau Margaux in einer französischen Händlerabfüllung. In Bordeaux gab es 1907 eine große Ernte leichter Weine und noch dazu Regen zur Erntezeit. Bei Margaux muss man damals ein goldenes Händchen bei der richtigen wahl des Erntezeitpunktes gehabt haben. Immer noch klar und mit etwas Brillianz die kräftige, dunkelbraune Farbe, die Nase, erst durch staubige Eleganz geprägt öffnete sich immer mehr mit viel altem Leder, am Gaumen Margaux-typische Eleganz, aber auch noch eine bemerkenswerte Statur. Von wegen alt und gebrechlich, der Margaux baute enorm im Glas aus, wurde immer weicher und generöser und trank sich auch ohne Erfurcht vor dem Alter erstaunlich gut – WT92. Torsten Görke brachte es auf den Punkt: Der ist besser als jeder 13er.

Und schon folgte die nächste Legende, ein 1937 Clos des Papes. Sehr hell die eher orangenrote Farbe. In der sehr ausdrucksstarken, spontan anmachenden Nase viel Ovomaltine und frisch gemahlener Kaffee, am Gaumen leicht jodig, sehr würzig mit generöser, schmeichelnder Süße und dem edlen Kräuterton einer alten Chartreuse, wirkte insgesamt burgundisch im besten Sinne – WT97. Gleichzeitig war dieser Clos des Papes ein erneuter Beweis dafür, dass sich die Weine der Rhone nicht hinter Burgund verstecken müssen, weder von der Qualität, noch von der Alterungsfähigkeit her.

1937 war ein herausragendes Jahr in Burgund und an der Rhone. Für Bordeaux galt das nicht unbedingt. Sehr überzeugend aber der 1937 Certan de May mit reifer, aber kräftiger Farbe und generösem Nasenbild. Feine Alpenmilchschokolade, viel Leder, der Hauch von Liebstöckel verschwand rasch. Am Gaumen weich, generös und sehr lang – WT94. Deutlich kräftiger, nicht nur in der Farbe der 1937 La Fleur Petrus mit Bitterschokolade, aber auch kräuteriger Herbe und deutlicher Säure, von Süße keine Spur – WT91.

Zwischendrin mal ein Wort zur Küche. Wir wurden nicht nur mit einem vielgängigen Menü der Extraklasse verwöhnt. Holger Berens Kreationen fügten sich auch sehr harmonisch in den Probenablauf ein, absolut stimmig!

Das schöne an Blindproben ist, dass man unvoreingenommen an die Weine herangeht. So war Uwe Bende, der edle Spender der nachfolgenden beiden Flaschen, blind bei großen, reifen Kaliforniern, was wir alle sehr gut nachvollziehen konnten. Vor allem der 1964 La Mission Haut Brion brachte neben Cigarbox und teeriger Mineralität dermaßen viel eukalyptus und Minze, dass man einfach spontan an Heitz Martha´s Vineyard denken musste. Selten habe ich diesen La Mission, der durch eine gute Säure gestützt wurde, so vital und überzeugend im Glas gehabt – WT96. In dieser Form jede Suche und auch jede Dummheit wert. Überraschend gut auch der 1973 Hermitage La Chapelle von Jaboulet Ainé aus einem eher schwächeren Rhone-Jahrgang. Gute, voll intakte Farbe, dekadent süße, lakritzig-kräuterige Nase, enorme Kraft und Fülle am Gaumen, auch hier gestützt durch gute Säure – WT93.

Immer noch so jung wirkte 1952 Petit Village mit der dazugehörigen, jungen Farbe. Mit der generösen Nase voller Schokolade und Nougat war das ein wunderbares Osterei, am Gaumen kamen dazu erstaunliche Kraft und Statur – WT94. Sehr jung und dicht auch die Farbe des 1952 Cap Coronel Seleccion Especial aus Chile. Ein gewaltiger Wein mit enormer und trotz Kork deutlich spürbarer Substanz, der ohne Kork das Zeug zum Probensprenger gehabt hätte.

Eine Mörderfarbe hatte 1949 La Conseillante immer noch, dazu eine geile Nase und den passenden Gaumen, verschenderisch mit enormem aromatischem Druck, auf der einen Seite so kräftig und dicht, auf der anderen so weich, generös und seidig mit unendlicher Länge – WT99. Ein Traumpomerol mit sicher noch längerer Zukunft. Da kam vor allem im direkten Vergleich der 1961 La Conseillante in einer Cruse-Abfüllung nicht mit. Auch der noch sehr jung wirkend mit dichter Farbe, roter Früchtekorb, blutiges Steak, etwas flüchtige Säure – WT93.

Deutlich besser kenne ich die beiden danach getrunkenen Bon Pasteurs. Der 1959 Bon Pasteur war geprägt von sehr hoher Säure, die einfach keine ungetrübte Freude aufkommen ließ – WT92. Auch beim 1975 Bon Pasteur, der enorm viel Luft brauchte und sich sehr zögerlich im Glas entwickelte, war es die hohe Säure und dazu die immer noch etwas bissig wirkenden Tannine, die den ungetrübten Zugang zu diesem Wein versperrten, der aber auch etwas Bitterschokolade, eine dezente, karamellige Süße und dazu eine herbe Kräuternote zeigte. Insgesamt dreimal habe ich bei diesem Wein über die Zeit die Bewertung hoch gesetzt und bin zum Schluss immerhin bei WT 94 gelandet.

Gewaltige Probleme (und Zweifel) hatte ich mit einem 1961 La Mission Haut Brion in einer belgischen Nony-Abfüllung. Für mich hatte der weder mit La Mission noch 1961 etwas zu tun, in der Kombination als 1961 La Mission Haut Brion erst recht nicht. Dafür entschädigte im anderen Glas der 1974 Vega Sicilia Unico. Ein enorm vielschichtiger, kräftiger, sehr würziger Wein mit schöner Fülle, bei dem nur die sich immer stärker in den Vordergrund drängende Säure eine höhere Bewertung verhindert – WT94.

Und dann war Vergnügen pur angesagt. 1989 Lynch Bages, leider schon lange kein Geheimtipp mehr, zeigte sich so unglaublich jung, so konzentriert mit superdichter Farbe und süßer Frucht, aber bei aller Kraft am Gaumen zwar sehr nachhaltig, aber auch gleichzeitig so elegant, seidig und spielerisch, dabei immer noch mit perfektem Tanningerüst, das ist ganz großes Kino mit gewaltiger Zukunft – WT97+. Im direkten Vergleich war 1989 La Conseillante zwar nicht der größere, aber der offenere, dekadentere, schokoladigere Wein, einfach eine irre Spaßnummer zum beidhändig trinken – WT98.

Und dann waren wir endlich in Kalifornien. Was hat Diamond Creek mit Dunn zu tun? Bei beiden Gütern frage ich mich stets, wann deren weine reif sind und ob sie es überhaupt jemals werden. Dieser geniale, völlig altersfreie 1978 Diamond Creek Volcanic Hill war auf dem richtigen Weg, aber längst noch nicht da. Was für ein kräftiges, zupackendes Tier von Wein mit puristischer Frucht, nur einem Hauch von Eukalyptus und Minze, dafür umso mehr Mineralität und einem immer von intakten Tanningerüst. Der jagte bei jedem Schluck einen Schauer über den Rücken und blieb sehr lang am Gaumen. Und das alles, obwohl der gute Jeff den nicht nur im Koffer über den atlantik mitgeschleppt hatte, sondern zwei Wochen lang auch von Hotel zu Hotel. Der schiere Wahnsinn – WT97+. Kein Wunder, dass da der so kräftige 1989 Heitz Martha´s Vineyard im direkten Vergleich fast etwas weichgespült wirkte. Sehr Minzig, Eukalyptus satt, dazu ein Schuss Coca Cola und viel fruchtsüße, bei aller Offenheit noch mit guter Struktur – WT95.

Etwas Fantasie war im nächsten Flight bei 1982 Gruaud Larose von Nöten, der mich aus dieser wohl perfekt gelagerten Flasche an die Weine aus meinem Eiskeller erinnerte. Entwickelte sich nur im Schneckentempo im Glas, man spürte die enorme Substanz und das Legendenpotential, aber offen und voll da ist anders – WT95+. Ganz anders der 2002 Masseto, der alles auspackte, was er drauf hatte. Eine große, geile Röstaromenoper mit Schemlz und Hedonismus ohne Ende. Der machte einfach richtig an und weckte so manch inzwischen ermatteten Gaumen wieder auf – WT97. Ich will jetzt nicht den blöden Spruch von „den Gruaud heiratet man, den Masseto….“ bringen. Aber der Gruaud ist zweifelsohne der größere Wein mit dem deutlich höheren Potential. Wenn ich wählen dürfte, hätte ich gerne davon den Keller voll. Nur hier, in diesem Moment, da stahl im der Masseto die Show. Was übrigens nicht alle am Tisch so sahen.

Und noch zweimal Kalifornien stand vor uns, jetzt in der moderneren Variante. Der 1997 Araujo Eisele Vineyard war noch so frisch, so jung, so vibrierend mit superber Frucht und für das üppige Kalifornienjahr mit erstaunlicher Eleganz und Leichtigkeit – WT97. Der 2001 Pride Mountain Claret Reserve war entweder eine schlechte Flasche, oder bei diesem Wein, zu dem es kaum Notizen im Internet gibt, ist bei der Vinifikation etwas schief gelaufen. Wirkte überreif, over the hill mit Brett und mastiger Süße. Ich habe auf eine Bewertung verzichtet.

Das stramme Programm und die inzwischen stark fortgeschrittene Zeit forderten ihren Tribut. So hatte der großartige 1997 Gaja Barbaresco Sori San Lorenzo einen schweren Stand. Kräuterig, teerig und leicht trüffelig, Unterholz die ansonsten von reifen Kirschen geprägte Nase, hoch die Säure am Gaumen und etwas staubig und trocken die deutlichen Tannine wirkend. Wer den hat, dekantiert ihn ein paar Stunden vorher (haben wir nicht gemacht) oder lässt ihn besser noch etliche Jahre liegen – WT93+.

Nicht mehr mitgeschrieben, nur noch genossen habe ich bei den beiden letzten Weinen, die Uwe quasi als Night Cap noch brachte. 1989 und 1990 Beaucastel tranken sich beide einfach saugut und waren perfekter Abschluss eines großen Abends.

Jeff (in der Mitte) mit den Devils

Jeff (in der Mitte) mit den Devils