Elkes Burgunderträume 2014

Eigentlich müsste man diese feine Probe ja langsam in „Burgundergrillen“ umbenennen, so heiß war es auch in diesem Jahr wieder. Aber der Großmeister der Alten Weine, Oliver Speh, hatte bei Elke Dreschers jährlichem Burgunderfest alles bestens im Griff.

Wohl temperiert, d.h. kühl genug kamen nicht nur die Weißen ins Glas, sondern auch die Roten. Wer seine Gläser halbwegs zügig leerte, hatte stets die ideale Trinktemperatur. Rassig und mit perfekter Struktur der 2005 Chablis les Clos von William Fevre mit frischer, süßer Frucht und viel Feuerstein – WT95. Völlig daneben der 2003 Corton Charlemagne von Chanson, der mit fürchterlicher Nase und uraltem, gärendem Apfel am Gaumen als Premox-Lehrbeispiel dienen konnte. Ziemlich daneben leider auch der 1949 Chablis von Lafage. Die fantastische Nase mit karamellisiertem Brioche hatte neugierig gemacht, doch am Gaumen waren nur massig Säure und Möbelpolitur. Schwierig zu Angang auch der 2012 Aubert Chardonnay Lauren Vineyard mit viel Holz, Vanille und Kraft, aber ohne Frucht, dafür mit heftigen 16% Alkohol. Ich hätte ihn fast abgehakt, aber diesem Wein taten Luft und sogar etwas Wärme gut. Da tauchte doch sogar plötzlich noch immer mehr Frucht auf und der Aubert wurde deutlich gefälliger – vorsichtige WT92+ in der Hoffnung, dass er sich in 5-7 Jahren besser präsentiert. Aber, ganz offen gesagt, trotz hoher Parker Bewertungen erinnert mich dieser Weinstil eher an die Rennaissance der Spritfresser unter den amerikanischen Autos. In mein Glas gehören solche Wuchtbrummen nicht. Selbst Australien und Südafrika – beides Länder, in denen sicher nicht weniger Sonne scheint als in Kalifornien – sind da schon deutlich weiter und bringen Chardonnays mit deutlich mehr Finesse, Säure und Mineralität bei erheblich weniger Alkohol.

Durchaus spannend der rote Start mit einem 1920 Clos Sorbet in einer Händlerabfüllung von Rodier. Ein in Ehren gereifter, feiner Burgunder, gestützt von guter Säure und immer noch mit Fruchtresten, der im Glas ausbaute und dabei immer feiner und länger wurde – WT91. Die witzig klingende Lage gehörte damals übrigens Henri de Bahézre aus Morey St. Denis. Sehr schwierig war zu Anfang die Nase des 1923 Charmes Chambertin Collection Docteur Barolet, käsig, Blauschimmel, Penicillin, wobei sich diese Schärfe auch am Gaumen fortsetzte. Doch auch hier wirkte Luft Wunder. Nach einer weile war ein völlig anderer, weicher, feiner Wein im Glas mit viel Trinkspaß – WT92. Ein sehr charmanter Kraftbolzen mit gewaltiger Länge war der 1926 Corton Vandermeulen, der wie eine Eins im Glas stand – WT96. Deutlich mehr hatte ich mir vom 1926 Chambertin Vandermeulen versprochen, der in der ersten Wahrnehmung begeisterte, dann aber rapide abbaute, wirkte dabei so metallisch, als ob er aus der Dose käme – WT87. Das konnte nur eine schlechte Flasche sein. Todesmutig kaufte ich der lieben Elke die Zwillingsflasche ab und baute sie 2 Monate später in meine Vandermeulen Burgunderprobe ein, wo sie sensationell gut war. Eine sehr helle, reife Farbe hatte der 1928 Hospice de Beaune Cuvée Brunet Beaune Collection du Docteur Barolet, dazu pikante Frucht, feinen , süßen Schmelz. Ein seidig eleganter Wein – WT95.

Burgunder aus der Magnum sind recht selten. Zwei dieser Exemplare hatten wir jetzt vor uns, beide nicht mehr optimal gefüllt. Die 1929 Clos Vougeot Magnum der Domaine Camille Cerf & René Fribourg hatte eine helle, aber klare Farbe, immer noch eine schöne Frucht, Quitte pur, florale Noten, sehr pikant, feingliedrig, einfach stimmig und wunderschön zu trinken – WT94. Aus gleicher Quelle eine 1933 Clos Vougeot Magnum mit trüber Farbe, viel Klebstoff, aber auch Orangenzesten, trotzdem noch erstaunlich gut trinkbar – WT84. Der 1935 Vosne Romanée Malconsorts Collection du Docteur Barolet hatte auch noch eine gute von der kräftigen Säure getragene, rotbeerige Frucht, Hagebutte, nur fehlten für das große Burgundererlebnis Schmelz, Süße und Finesse – WT89. Das alles und noch viel mel mehr hatte der geniale 1937 Morey-Saint-Denis Collection du Docteur Barolet. Rosmarin, Lavendel, Kräuter, immer noch gute Frucht, noch so jung, so dicht, einfach ein kompletter, riesengroßer Burgunder mit irrer Länge – WT97.

Der 1945 Clos Vougeot von Arthur Barolet ähnelte der 29er Magnum, war nur viel jünger und konzentrierter mit ebenfalls viel jüngerer Farbe, dazu seidige Eleganz und Länge, noch lange Zukunft – WT96. Besser hätte der 1945 Gevrey Chambertin von Morin sein müssen, der zwar noch gute Frucht besaß, aber auch eine ziemlich staubige Eleganz, die ihn rustikal wirken ließ – WT90. Ganz anders der 1945 Nuits Cailles von Morin. Der war noch voll im Saft. Was für ein traumhafter Wein mit schier unglaublicher Frucht, so jung, so nachhaltig – WT96. Wenig los dagegen beim 1947 Clos des Mouches von Drouhin, staubige Nase, alter Pappkarton, am Gaumen ungenerös, trinkbar ja, Freude nein – WT85. Deutlich besser, aber auch nicht wirklich groß der 1947 Pommard 1er Cru Thomas Bassot mit immer noch fruchtiger Nase, aber etwas rau und kraztzig am Gaumen – WT90.

Ein kleiner, etwas unscheinbarer Wein ohne Fehler, aber auch ohne wirkliche Höhepunkte war der gut trinkbare 1947 Mercurey von Bouchard – WT87. Sehr jahrgangstypisch mit Überreife, aber auch mit der Struktur eines großen Burgunders der 1947 Nuits St.-Georges von Lafage – WT94. Fehlerhaft war wohl der sehr schwierige 1947 Beaune Vandermeulen, bei dem weder Nase noch Gaumen stimmten. Einfach nur ohne jeden Trinkspaß der 1949 Gevrey Chambertin von Daniel Roland, charmefrei mit viel zu hoher Säure – WR80.

Deutlich höhere Bewertungen hätte der wunderbar fruchtige, stimmige, elegante 1952 Gevrey Chambertin Clos de la Justice Henry&Fils bekommen, wäre da nicht diese unsaubere Nase gewesen – WT91. Eigentlich war der 1964 Grands Echezeaux von Arthur Barolet ein sehr schöner Wein mit viel Druck, ein schokoladiger Schmuseburgunder, der aber am Gaumen auf hohem Niveau doch etwas hohl wirkte – WT90. Nichts zu meckern gab es beim rotbeerigen, kräuterwürzigen, leicht wilden 1953 Nuits Thorey von Morin mit reichlich Kraft und Fülle, aber auch animalischen Noten, hätte durchaus ein großer Wein von der Rhone sein können, oder war er das auch? – WT95. Und wie buchstabiert man „Burgundische Pracht und Fülle“? So: 1942 Nuits-Saint-Georges Godin Frères. Was für ein großer, stimmiger, druckvoller Burgunder mit immer noch irrer Farbe, hoch elegant, zum Niederknien – WT97.

Auf der Terrasse (es wurde langsam draußen marginal kühler als drinnen) gab es dann bei Kerzenschein noch ein paar jüngere Weine. Der 2007 Silberberg GG von Kreuzberg zeigte gute Kirschfrucht, frische Kräuter, wirkt etwas blumig und poliert, im Abgang Röstnoten – WT91. Sehr kräuterwürzig, mineralisch und kernig das noch blutjunge 2009 Pfarrwingert GG von Meyer Näkel mit großer Zukunft – WT93. Im Vergleich dazu verdammt heftig, holzbetont und mit kräftigen Tanninen der noch viel zu junge 2005 Charmes Chambertin von Chanson – WT91+. Noch jünger, aber schon so unglaublich animierend der 2012 Pinot Noir Le Caprice von Peter Michael aus dem Sonoma Valley in Kalifornien. Da war diese gewaltige, reife, süße kalifornische Frucht aus roten und blauen Beeren, da war enorme Substanz und Kraft, und auch wenn das alles beinahe die Frische einer Faßprobe hatte, war da schon viel Sex-Appeal – WT94+.