Komplette Harlan Vertikale 87-2010

Ein einmaliges „Once-in-a-lifetime“ Erlebnis war das, diese komplette Harlan Vertikale 1987-2010, die es in dieser Form noch nie gegeben hat.

Ja, zu Harlan habe ich ein ganz spezielles, persönliches Verhältnis. Die ersten Harlans gelangten bereits 1996 in meinen Keller, seinerzeit über Martin Kössler, den ersten deutschen Harlan Importeur. Er hatte mir diese Weine an Herz gelegt, ich habe sie natürlich gekauft und in den Keller gelegt. An was für einen Schatz ich da gelangt war, merkte ich erst ein Jahr später. Im Spago in Las Vegas trank ich 1997 auf Empfehlung des Sommeliers meinen ersten Harlan. Dann war es um mich geschehen. Was ich da – und in der Folge immer häufiger – ins Glas bekam, war für mich so eine Art Quadratur des Kreises, ein junger und gleichzeitig doch reifer Latour. Schon in jungen Jahren zeigen die Harlans unglaublich viel, erinnern aber in ihrer Struktur und Stilistik trotz der reifen, kalifornischen Frucht an große Pauillacs und können hervorragend altern. Viele großartige Weinerlebnisse verdanke ich den Harlans, so auch 2004 ein denkwürdiges, legendäres Harlan Dinner beim heutigen Importeur, den Ungers in Aschau, wo wir in kleinem Kreise mit Bill Harlan und Don Weaver, von René Gabriel launig auf der Gitarre begleitet, in großen Harlans badeten.

Als jetzt Eugen Haefliger diese einmalige, komplette Harlan Vertikale mit Weinen aus seinem unerschöpflichen Keller ankündigte, da musste ich einfach dabei sein. Für diesen unglaublichen Event hätte ich wohl notfalls auch die eigene Beerdigung abgesagt. Ort des Geschehens war die renommierte Äbtestube im Quellenhof in Bad Ragaz, wo uns parallel zur Probe das Küchenteam von Roland Schmid mit einem großartigen Menü verwöhnte. Perfekt auch der Service unter Leitung des sehr engagierten Sommeliers Francesco Benvenuto. Und als dann noch die Weine ihr Bestes gaben und Harlan-Boss Don Weaver himself mit all seiner Erfahrung und seinem Insider Know How diese modernen Legenden kommentierte, dann war das der Weinhimmel auf Erden.

Gastgeber Eugen Haefliger mit Don Weaver

Gastgeber Eugen Haefliger mit Don Weaver

Nicht vergessen möchte ich den hochklassigen Apero. Der 2008 Marcassin Chardonnay Three Sisters Vineyard war zwar kalifornisch-heftig, sehr nachhaltig und mit enormer Länge am Gaumen, dazu rauchig, nussig mit gut eingebundenem Holz , intensiver Mineralität und sehr guter Struktur, zeigte aber auch eine bemerkenswerte Frische – WT96.

Mit den drei ersten Harlan-Jahrgängen, die zwar voll ausgebaut wurden, aber nicht in den Vertrieb gelangten, begann unsere Probe. Von nur 2 Jahre alten Reben stammte der 1987 Harlan. Sehr reif inzwischen, Waldboden, aber immer noch voll intakt und gut trinkbar. Baut sogar im Glas aus und erinnert mich weniger an alten Barolo (Don Weaver) als an einen gut gereiften Medoc aus den 80ern. Ein beeindruckendes Erstlingswerk, dessen nur von dezenten Reifetönen geprägte Farbe zeigt, dass hier noch einige Jahre was geht – WT90. Kräftig, eckig und rustikal mit etwas sperrigen Resttanninen der für den ungenerösen Kalifornienjahrgang typische 1988 Harlan. Baute im Glas aus, wurde gefälliger, minziger und ist ebenfalls noch gut trinkbar – WT89. Viel Substanz zeigte der 1989 Harlan, bei dem leider ein deutlicher Kork den sonst sicheren Trinkspaß verdarb. 1990 Harlan war dann der erste „echte“ Harlan, der in den Vertrieb gelangte. Altersfreie Farbe, feine, rotbeerige Frucht, sehr minzig mit schöner Süße, dabei immer noch Frische zeigend und mit sehr guter Struktur. Einfach sexy dieser sehr harmonische, stimmige Wein – WT94. Wer den jetzt auf Auktionen sucht, wird wohl gegen Harlan selbst bieten müssen. Die haben nur noch zwei Flaschen auf dem Gut und wollen dringend zukaufen. Deutlich weiter in der Entwicklung wirkte der 1991 Harlan mit sehr reifer, fast etwas überreif wirkender Frucht, Kaffee, Pflaumenmarmelade, weich und generös am Gaumen, aber auch noch mit guten Tanninen für eine längere Lebensdauer – WT92.

Der allerste Harlan

Der allerste Harlan

Ein perfekter, stimmiger, sehr präsenter, aber auch eleganter Wein war 1992 Harlan, in der Stilistik mehr Bordeaux als Kalifornien – WT96. Da legte der 1993 Harlan noch eins drauf, so mineralisch, so druckvoll und wiederum mit perfekter Struktur und Balance – WT97. Schlichtweg sprachlos machte wieder der grandiose 1994 Harlan, das war einfach Perfektion pur. Wein geht anders aber nicht größer. Superdichte Farbe ohne auch nur einen Hauch von Alter, traumhafte, leicht dunkelbeerige Frucht, Cassis, reife Brombeere mit feiner Süße, intensive Mineralität mit dem Bleistift von Mouton, sehr druckvolle Aromatik am Gaumen und unerhörte Strahlkraft, unendliche Länge und immer noch gewaltige Zukunft. Aber keines dieser überzüchteten, kalifornischen Powerteile. Dieser Harlan knallt nicht am Gaumen, er nimmt ihn durch die absolute Stimmigkeit aller Komponenten in Besitz und ist stilistisch wiederum eher Pauillac als Kalifornien mit der Eleganz von Lafite, der Power von Latour und der Sexiness von Mouton – WT100. Ein gutes Dutzend Mal hatte ich Glücklicher diesen Wein bisher im Glas, und ausnahmslos alle Flaschen haben die Höchstnote bekommen. einer der größten Weine dieser Erde. Und natürlich war 1994 Harlan auch der Siegerwein der ersten American Beauty Best Bottle 2008. Die WT100 habe ich auch schon häufiger dem 1995 Harlan gegeben, einem gewaltigen Fruchtkonzentrat mit unglaublicher Aromenfülle und ebenfalls perfekter Struktur. Nimmt man den 94er als Maßstab, so blieben im direkten Vergleich vom Weinbuchhalter „nur“ WT98. Superdicht der 1996 Harlan, auch der mit puristisch schöner, süßer, dunkelbeeriger Frucht, mit Präzision, Länge und Komplexität ein Riese mit großartiger Zukunft – WT99. Beide Weine 95 und 96, hätten wohl solo die Maximalpunktzahl und standing ovations bekommen. Diese drei Weine, 94, 95 und 96 im Glas haben zu dürfen, das war ein sehr eindrückliches Erlebnis.

Vier der American Beauty Gründer

Vier der American Beauty Gründer

„Das war der verrückteste Wein, den wir je gemacht haben“ meinte Don Weaver zu 1997 Harlan. In seiner Jugend war dieser wohl einzige, korpulente Harlan ein Wahnsinnsteil, das in vielen Proben die Maximalnote erhielt und mit 94 um die Spitze rang. Aber das heiße, überreife Jahr forderte wie bei so vielen 97ern seinen Tribut. Der Harlan baute ab, zeigte portige Noten und auch etwas flüchtige Säure. Das ergab leider viele enttäuschende Erlebnisse. Jetzt scheint er wieder auf dem Weg zu früherer Größe und wies trotz üppiger, süßer Fülle eine erstaunlich präzise Struktur auf – WT97. Gut gelungen trotz des eher schwierigen Jahrgangs der 1998 Harlan, ein kräftiger Wein mit guter Struktur, eher schlank in der Anmutung – WT94. Eine süße Himbeernase wie aus dem Candystore hatte der 1999 Harlan, der am Gaumen etwas diffus und störrisch wirkte. Leider nicht die beste Flasche. Normal ist das ein sehr feiner, eleganter, fruchtiger Harlan auf WT95 Niveau. Sehr weit entwickelt wirkte 2000 Harlan. Sehr süße, reife Nase, auch am Gaumen reif, weich, schmeichlerisch ohne viel Rückrat – WT94. Und dann kam der nächste Paukenschlag. 2001 Harlan wirkte wie ein zweiter 94er. Ein gewaltiges Konzentrat zwar und ein geradezu explosives Aromenbündel, aber dabei so unglaublich stimmig, so perfekt balanciert, einfach puristisch schön und das perfekte Beispiel für die Harlan´sche Quadratur des Kreises. Für mich zusammen mit 94 der beste Wein der Probe – WT100.

Großes Kino auch der 2002 Harlan, nur wirkt der derzeit so, als ob er einfach von allem etwas zuviel hat. Ein neuer 97er? Einfach 10+ Jahre weglegen und hoffen, das dieser Rumtopf-Kompott an Struktur und Rasse gewinnt – WT96+. Auf hohem Niveau harmlos wirkte der 2003 Harlan. Da fehlten einfach Komplexität und Tiefgang eines großen Harlan. Dafür brachte der Ostwind (Don Weaver) von Heitz reichlich Minze und Eukalyptus – WT94. 2004 Harlan war leider nicht die beste Flasche. Den kenne ich aus Gregors Keller deutlich größer, ein gewaltiger Harlan mit Langstreckenpotential – WT96+. 2005 Harlan aus einem endlich wieder etwas kühleren Napa-Jahr erinnerte an das Trio 94/95/96, ein Riesenwein, sehr mineralisch, frisch, leicht jodig und wieder mit dieser perfekten Struktur – WT99. Sehr mineralisch mit erstaunlich kühler Eleganz und deutlichem Tanningerüst zeigte sich der auch in der Frucht puristische 2006 Harlan – WT97.

Mit einem beeindruckenden Quartett junger, allesamt sehr beeindruckender Harlans mit großer Zukunft endete diese großartige Probe. 2007 Harlan war ein gewaltiges, dichtes Konzentrat mit süßer Frucht, etwas wild und ungestüm noch, aber auch mit toller Struktur und Frische, wenn da in 5-10 Jahren die Einzelteile richtig zueinander gefunden haben, könnte der nicht nur noch deutlich zulegen, sondern sich auch um ein perfektes Rating bewerben – WT97+. Noch etwas unfertig wirkt auch der sehr kraftvolle, tanningeprägte 2008 Harlan mit gewaltigem Druck am Gaumen und jugendlicher Röstaromatik, kann ebenfalls noch zulegen – WT97. Ein Mörderteil ist 2009 Harlan, der in seiner jugendlich saftigen, aber auch rassigen Art einfach schon alles zeigt, was er drauf hat und in der jetzigen Phase einfach unwiderstehlich ist – WT99. Da gehört im Keller eine dicke Kette um die Kiste und der Schlüssel weggeworfen, sonst ist die Kiste im Nu leer. Etwas verhaltener der noch so blutjunge 2010 Harlan mit puristischer Frucht und gewaltiger Statur und Substanz, der aber alle Anlagen für einen großen Harlan hat – WT98.

Sollte man Harlan kaufen? Was für eine Frage. Und wann trinkt man Harlan? Die Weine machen schon jung enormen Spaß, legen aber mit den Jahren zu, insbesondere bei den neueren Jahrgängen, denn die Rebstöcke werden älter. Am besten aber trinkt man Harlan, wenn ich dabei bin. Wenn Ihr gerne einen glücklichen Menschen seht, dann schenkt mir reichlich davon ein.