Spontane Best Bottle im Wine Live

Spontan hatten wir uns im Wine Live zu einer kleinen Best Bottle zusammengefunden. Otmane Khairat und Jochen Fricke sorgten dafür, dass die Weine perfekt dekantiert in die Gläser kamen und probierten natürlich fleißig mit. Wir spielten „Topfschlagen für große Jungs“, das ewige Weinratespiel.

Ungläubiges Stauen, als der erste wein aufgedeckt wurde. Das sollte ein 2011 Grüner Veltliner M von FX Pichler sein. Wenn „M“ für mittelmäßig stehen würde, wäre das ok, aber monumental? Nein das ging überhaupt nicht. Der war einfach nur breit, struktur- und säurearm, sehr süß mit einer metallischen Note in der Nase, ohne Spannung und mit wenig Frucht. Viele von uns sind langjährige Pichler-Fans, aber dieser völlig unspannende GV hatte mit großen Pichler-Weinen, wie wir sie kennen und lieben, nichts gemeinsam. Harte Worte fielen dazu am Tisch, die ich hier besser nicht erwähne. Auf eine Bewertung habe ich verzichtet. Sie hätte in der momentanen Phase dieses Weines sicher in den unteren 80ern gelegen.

Schwamm drüber, die nächsten beiden Weine warteten schon. Das war schon irre, was dieser 1995 Forster Kirchenstück Spätlese trocken von Bürklin Wolf da mit bescheidenen 12% Alkohol brachte. Tiefe Farbe, in der Nase, die immer offener und generöser wurde, viel Grapefruit und Limone, dazu eine kalkige Mineralität, der Hauch von Boytritis nicht störend. Am Gaumen immer noch sehr gute Säure, die den feinen Schmelz balanciert. Mit reichlich Kraft, Volumen und Länge präsentiert sich dieser deutsche Montrachet, aber auch sehr stimmig und harmonisch mit unglaublicher Eleganz – WT95. Übrigens erst der zweite Jahrgang des Kirchenstücks, ein großartiger Wein, der sich noch etliche Jahre halten dürfte.

Eine Liga drunter spielte der aber ebenfalls spannende und durch die immer prägnanter werdende Säure noch sehr frisch wirkende 1996 Rüdesheimer Berg Schlossberg von Wegeler. In der Nase erstaunlich viel Kakao und reifer Boskop. Trotz der hohen Säure erstaunliche Süße am Gaumen und hohe Mineralität – WT93.

Mit einer Weinleiche starteten wir in den roten Teil des Abends. Da gab es nicht viel zu raten und zu diskutiere. Der 1921 Lafitte St. Estephe, obwohl mit gutem Füllstand, hatte weitgehend das Zeitliche gesegnet. Einfach zu alt, weitgehend oxidiert, die Nase noch besser als der Gaumen – WT76.


Dafür überraschte der 1955 Larciss Ducasse in einer Barrière-Abfüllung um so mehr. Der war noch so quicklebendig, eine flüssige Werbung für den großartigen Jahrgang 1955. Die zu Anfang animalische, sehr ledrige Nase zeigte immer mehr Maulbeeren, am Gaumen perfekte Paarung aus Kraft und Eleganz, enormer Trinkfluss. Einen perfekten Piraten für eine Cheval Blanc Probe würde dieses altersfreie, immer noch frisch und sehr harmonisch wirkende Grand Cru aus St. Emilion abgeben – WT96.

Eine faszinierende Schokopraline mit viel Kaffee, sehr schmelzig und lang am Gaumen war der 1966 Imperial Gran Reserva von CVNE – WT94.


Spannend dann ein 96er Zwillingspaar. Sehr kraftvoll, minzig mit enormem Druck und guter Länge der fruchtige, voll trinkbare 1996 Beringer Private Reserve – WT93. Ganz zu Anfang hatte der die Nase vorn, doch die 1996 Pichon Comtesse drehte enorm auf. Das war eine große, klassische Comtesse, kraft- und druckvoller Auftritt, aber mit betörender Eleganz und feinem Schmelz. Erst ganz am Anfang und an die 86er Comtesse erinnernd – WT96.


Auf Augenhöhe danach ein 90er Zwillingspärchen. Der 1990 Dominus war ein großer, „unsüßer“ Kalifornier in bester Bordeaux Art mit toller Struktur – WT95. Fast wieder die alte, große Klasse der Fruchtphase hat der lange verschlossene 1990 Cos d´Estournel erreicht, präsentiert sich wieder deutlich offener mit sehr guter Struktur, Finesse, Eleganz und großartiger Länge am Gaumen, da kommt noch mehr, ein großer Cos mit langer Zukunft – WT95.

Zu erinem Riesen hat sich inzwischen 1986 Beaucastel entwickelt, den ich zuletzt 2012 aus der Halben mit WT94+ im Glas hatte. Doch bei unserer Flasche heute ging alles schief. Eine schlechte Flasche, die dann auch noch zu warm in die Gläser kam und dort mit dickem Stinker in der Nase zerfiel. Schade.

Dafür entschädigte dann der WOTN, der Wine of the Night, ein schier unglaublicher 1985 Caymus Special Selection in Bestzustand, noch so jung, Cassis pur, feine Minze, jugendliche Röstaromatik, perfekte Struktur und immer noch voll intakte Tannine. Schlichtweg atemberaubend. Am Tisch wurde über 1986 Mouton Rothschild und 1990 Latour diskutiert. Hätte mich für beide Weine gefreut, wenn sie so gut wären. Dieser Caymus ist ein Unikat, ein Meisterwerk, für das es nichts anderes als WT100 gibt. Und dann kam einer dieser Zufälle, der unsere Best Bottles wie geplant aussehen lässt. Hatte da doch einer aus unserem Kreise als „Reserveflasche“ einen 1992 Caymus Special Selection mitgebracht. Der war jetzt natürlich dran. Gleiche Stilistik, ein verschwenderisch süßer, weicher, sehr gefälliger Wein mit sehr druckvoller Aromatik, mit betörender Frucht und viel Eukalyptus und Minze, dabei mit sehr guter Struktur und Statur, am Gaumen mit unendlichem Schmelz – 97/100.

Und dann kam noch der Lafleur für Schlaue ins Glas, 1989 Le Gay. Ein nicht uncharmanter Kraftbolzen, sehr kräuterig mit viel Lakritz, aber auch mit etwas Bitterschokolade, so unglaublich druckvoll und lang am Gaumen mit noch massivem Tanningerüst. Erst ganz am Anfang einer sehr langen Entwicklung – WT96+.

Nachdem wir inzwischen auch eine große Käseplatte verputzt hatten, fehlte jetzt noch als würdiger Abschluss ein schönes Dessert, nichts dickes, übersüßes, eher etwas leichtes, erfrischendes. Das kam dann in Form einer 1995 Scharzhofberger Spätlese von Egon Müller in die Gläser, wunderbare Frucht, Riesling pur, intensive Schiefermineralität, perfektes Süße-/Säurespiel und eine faszinierende Leichtigkeit – WT94.