1983 und 1986

Ein großes Menü im Berens am Kai mit dem Besten, was ich in meinem Keller aus ihren Geburtsjahren 1983 und 1986 finde, hatten wir Jane und Ben seinerzeit zur Hochzeit geschenkt. Jetzt hatten wir endlich die Chance, bei einem Besuch der beiden Sylter in Düsseldorf unser Hochzeitsgeschenk zu „überreichen“.

Beide Jahrgänge sind sehr spannend. 1983, ganz zu Anfang hoch gelobt, verschwand schnell im Schatten von 1982. Erst nach längeren Jahren zeigten viele der besseren 83er, welch gigantisches Potential in ihnen steckt. Und diese Weine sind auch heute noch jede Suche wert. 1986 ist ein von massiven Tanninen geprägter Jahrgang, so eine Art modernes Remake von 1928. Und genau deshalb sollte man diese Weine nicht abschreiben. Da kommt noch reichlich. Und wenn auch „Herr Ben“ mit seinem Jahrgang die Nase vorn hatte, die Zeit spricht für Jane. Spätestens zur Goldenen Hochzeit trinken wir nur noch 86er.

Gestartet sind wir mit zwei trockenen Weißeinen aus Österreich. Der Grüne Veltliner Spätlese trocken von der WG Wachau war reif, weich, cremig, würzig und zu Anfang erstaunlich gut trinkbar. Dann entwickelte sich leider zunehmend Kork, sonst sicher WT86. Immer noch so jung wirkend der 1986 Ried Achleiten Riesling Honifogl von der WG Wachau. Der hatte noch so viel Dampf und entwickelte sich über längere Zeit im Glas, das war schon beeindruckend. Immer noch pikante Steinobstfrucht, feine Mineralität und gute Säure, da stiegen die Bewertungen mit jedem Schluck und landeten zuletzt bei WT96. Und die Musik dürfte bei diesem Wein in gut gelagerten Flaschen noch länger spielen. 1988 hatte dieser Wein in einer großen Falstaff-Probe unter 187 Weißweinen mit einem Punktschnitt von 18,6/20 den ersten Platz belegt. Weinland Keiler, damals deutscher Importeur, war seine 1200 Flaschen ruckzuck los. Gut, dass ich schnell genug war. Meine letzten 9 Flaschen teile ich mir für die nächsten 9 Jahre auf.

Brilliantes Goldgelb die Farbe des 1983 Clos St. Hune Vendage Tardive von Trimbach, nur noch ganz dezente Restsüße, geniale Struktur, kalkige Mineralität, reife Zitrusfrucht, noch viel Kraft und Länge – WT96. Eine güldene Farbe hatte der deutlich reifer wirkende 1986 Le Montrachet von Labouré-Roi. Der war nussig, viel Mokka, Kaffee und dunkles Toffee, dazu am Gaumen feiner Schmelz, gehört aber bald getrunken – WT95.

Überraschend gut der 1983 Bonnes Mares von Louis Latour, der sich noch sehr präsent zeigte. Sehr fein die Nase mit pikanter, roter Waldbeerfrucht, seidige Eleganz am Gaumen – WT94. Da war im direkten Vergleich der 1986 Bonnes Mares von Hervé Roumier chancenlos. Ein immer noch junger, kerniger, rustikaler Wein mit enormer Kraft, aber wenig Charme. Könnte sich noch entwicken – WT90+.

Ein Meisterwerk ist dieser 1983 La Mouline von Guigal. Klar ist der reif, aber das ist er schon seit langen Jahren. Aber diese Eleganz, diese Finesse, dieses unglaubliche La Mouline Parfüm in der Nase mit Trüffeln und dem großen Ausflug in die Welt der Gewürze, auch am Gaumen so fein, würzig und mit süßem Schmelz, das können auch größte Burgunder nicht besser, ein wunderbarer alle-Sinne-Verwöhner – WT100. In einem mittelmäßigen Rhone-Jahr hat Guigal mit dem 1986 La Mouline wieder einen großen Wein gemacht, der wie eine Eins im Glas stand, mit so viel Druck und Klasse, mit der Würze und der Sinnlichkeit dieser Lage, aber auch noch mit enormem Potential – WT96.

Eigentlich möchte ich nicht das hohe Lied auf den 1983 Cheval Blanc singen. Weil ich nämlich selber noch ein paar Flaschen suche. Aber nicht nur dieser Wein hat sich über die Zeit atemberaubend entwickelt und kann dem 82er das Wasser reichen. Auch der Preis passt sich leider immer mehr der Leistung an. So ein Mist aber auch. Denn dieser Cheval ist schlichtweg großer Stoff, dieses unnachahmlichen Cheval Blanc Parfüm in der verführerischen Nase, der traumhaft seidige Gaumen mit dekadent süßer, leicht portiger Fülle, Eleganz pur, so druckvoll in der Aromatik und so unglaublich lang und dabei noch so jung – WT97+. Klar, hier hatte natürlich Janes Jahrgang in Form des 1986 Cheval Blanc wieder das nachsehen. Oder sollte ich sagen: Noch? Ein absoluter Spätstarter ist dieser Cheval, der bisher immer mit seinen untypisch kräftigen Tanninen verschreckte. Immer noch so kräftig mit viel Substanz, aber langsam schält er sich aus seiner Hülle. Da könnte noch mal richtig was draus werden – WT94+.

Der 1983 La Mission Haut Brion ist ein weiterer dieser unglaublichen 83er, die der eigenen 82er Legende dicht auf den Fersen sind. Noch so jung, so druckvoll mit der faszinierenden La Mission Aromatik aus Cigarbox, Tabak, Teer, getrockneten Kräutern, Minze und Eukalyptus, am Gaumen bei aller Kraft mit süchtig machendem Schmelz – WT97. Ist der jetzt auf dem Höhepunkt, oder kommt da noch mehr? Das frage ich mich seit langen Jahren. Bisher war die Antwort, die dieser La Mission gab, immer: mehr. Warten wir mal die nächsten 10 Jahre ab. Es könnte spannend werden. Irgendwo im Keller versteckt hatte sich die 86er La Mission Kiste. Also habe ich stattdessen den 1986 Haut Brion genommen, eigentlich ohnehin der größere Wein. Der zeigte wieder Kraft ohne Ende und eine enorme Substanz, nach wie vor auf hohem Niveau ein unfertiger Klotz von Wein. Und zu allem Überfluss entwickelte sich hier noch ein immer stärker werdender Kork. Sonst wären sich WT96+ ins Glas gekommen.

Und dann kam 1983 Lafleur ins Glas, dieser Petrus für Erwachsene, der Hedonismus und süßen Schmelz mit genialer Struktur und kräuteriger Würze verband und immer noch viel Zukunft hat – WT98. Kräftiger, dichter mit der typischen, lakritzig-kräuterigen Aromatik der maskuline 1986 Lafleur mit guter Frucht und am Gaumen den ersten Ansätzen von süßem Schmelz, da kommt noch mehr – WT95+.

Und dann kam zum Schluss noch mal ein richtiger Paukenschlag, der alle Sinne forderte. Eigentlich hat der 1983 Penfolds Grange alles, was man von einem großen Grange erwartet. Irre, jugendliche Cassis-Frucht, minzig, enorme Kraft und Länge, aber warum dann „nur“ WT97? Weil der schier unglaubliche 1986 Penfolds Grange im anderen Glas einfach von allem noch etwas mehr hatte. Noch jünger, noch dichter, noch konzentrierter, traumhafte Frucht, Eukalyptus und noch Potential für lange Jahre, Grange und Wein in Perfektion. Seit 2009 habe ich diesem Grange jetzt 5mal die Höchstnote gegeben. Und auch heute sind das wieder klare WT100.

Eine Traumhochzeit war das im vorletzten November auf Sylt. Und schön, dass wir das mit den beiden jetzt noch mal ein bisschen nachfeiern durften. Und noch schöner, dass die beiden aus so spannenden Jahrgängen wie 1983 und 1986 sind. Nicht auszudenken, wenn sie stattdessen aus 1984 und 1987 gewesen wären. Aber dann hätten wir uns halt noch stärker auf Holgers großartiges Menü konzentriert.