Startschuss 2021

Sehr optimistisch waren wir 2020 mit den ersten Proben. Von Virus und Pandemie noch keine Spur. Wir freuten uns einfach auf ein geiles Probenjahr. Das sieht in diesem Jahr anders aus. Die Lockdown Meister, die leider keinen Plan haben, sprechen derzeit schon von Ostern. Kurz vor Ostern kommt dann, wenn wir Pech haben, die Verlängerung bis Pfingsten, dann wird die nächste und übernächste Mutation gefunden, plötzlich passen selbst die ohnehin verbaselten Impfungen nicht mehr und eine todernste Kanzlerin erklärt uns: das wird nichts mehr mit diesem Jahr. Ein finsteres Szenario, das hoffentlich nicht so eintritt.

Wir haben trotzdem einen Proben-Startschuss für 2021 gegeben. Deutlich kleiner die Runde, dafür umso hochwertiger die Weine.

Startschuss und Apero der ultrarare 2017 The Proof White Blend von DeSante aus einem alten, vor der Prohibition gepflanzten Weinberg. Mit kalifornischem Chardonnay hatte dieser Wein überhaupt nichts gemeinsam. Und da wir ihn, wie alle Weine, blind ins Glas bekamen, war ich natürlich sofort im Burgund. Sehr elegant und schlank mit feiner Frucht, dezentem Schmelz und guter Säure, sehr balanciert und harmonisch mit wenig Holz, einfach burgundisch im besten Sinne – WT95.

Weiter ging es mit einem aufregenden Dreierflight La Mission Haut Brion. Ungemein stabil und lebendig noch der 1934 La Mission mit rauchiger Nase, mit getrockneten Früchten und viel Pflaume, dezent malziger Süße, dazu mit großartiger Struktur, enormer Kraft und guter Säure, einfach beeindruckender, perfekt gereifter La Mission vom Feinsten – WT96. Zeitlos schön und sehr elegant der der feine 1971 La Mission mit immer noch guter Frucht, rauchig, ätherisch, jodig, Cigarbox, Teer, Leder, Tabak und großartige Länge – 95/100. Dürfte sich in guter Lagerung noch länger halten. Damit ist er nicht nur ein großartiger Tipp für alle, die in diesem Jahr 50 werden. Er könnte durchaus auch noch deren 55. Und 60. Geburtstag würdig begleiten. Dritter im Bunde war der immer noch so jung wirkende, geniale, wilde 1978 La Mission. Leider hatte unser Gastgeber diesem Wein statt eines ausgiebigen Vollbades nur 30 Minuten in einer sehr schmalen Karaffe gegönnt. So krach dieser Gigant nur ganz langsam aus seiner Hülle, und wir mussten über eine Stunde im Glas warten, bis diese La Mission Rockoper startete. Fesselnde Aromatik mit Schwarzer Johannisbeere, Leder, Tabak, Cigarbox, erdiger, teeriger Minalität, dazu mehr und mehr Minze und Eukalyptus, so dicht mit fantastischer Länge, dahinter massive Tannine, die diese Monument über Dekaden perfekt altern lassen werden – WT97+. Vor zwei Jahren haben wir in unserer Magnum Best Bottle 1978 La Mission und 1978 Heitz Martha´s gegenüber gestellt, ein Traumflight mit zwei Weinen, die sich, obwohl beide einzigartig, auf Augenhöhe ähnelten.

Gut fünf Stunden Dekantiertzeit braucht auch der legendäre Zwilling des unsterblichen 1947 Chambertin Vandermeulen, der 1955 Clos de Tart Vandermeulen. Tiefdunkle Farbe fast ohne Alter, ein schier unglaubliches Konzentrat mit dunklem Karamell, deutlicher Kaffeenase und immer noch präsenter Frucht, am Gaumen geradezu explosiv mit gewaltigem Dampf und ungeheurem, aromatischem Druck, so komplex mit Dichte und irrer Säure. Ein absolut perfekter, schier unsterblicher Wein, der sprachlos machte – WT100. Ja, ich will es nicht verhehlen, ich hatte hier dieses einmalige Erlebnis erst im letzten Glas, dass ich mir lange aufgehoben hatte, denn auch dieser Wein hatte, obwohl ich extra bei der Abgabe drum gebeten hatte, zwar einen voluminösen Riesendekanter, aber nicht die nötige Zeit bekommen. Im anderen Glas ein wunderbarer 1990 Angelus, der aber auf sehr hohem Niveau im Vergleich zum Clos de Tart fast schmächtig wirkte. Immer noch so jung und frisch, allein schon von der Farbe. Wunderbare, süße, dunkle Frucht, so minzig, druckvoll und kräftig und lang am Gaumen, Trinkspaß auf sehr hohem Niveau und Potential für sicher noch zwanzig Jahre – WT97. Angelus wurde in den Jahren danach immer kräftiger, voluminöser und heftiger. Erst seit dem Übergang der Leitung des Chateaus zur nächsten Generation besinnt man sich wieder alter Tugenden und setzt Eleganz vor Power.

Und dann der nächste Traumflight mit zwei Weinen, die trotz des nicht gerade zarten Alters von 32 Jahren erst am Anfang einer langen Entwicklung stehen. Viele der großen Bordeaux aus dem Jahrgang 1989 verschlossen sich nach einer genialen Fruchtphase für längere Jahre. Aber jetzt sind sie zurück und die besten davon auf dem Weg zur Perfektion. Dieser 1989 Latour ist ein gewaltiger, kraftvoller Wein mit großartiger Struktur, soviel Tiefgang und Spannung, unglaubliche Länge, präzise Cassisfrucht mit Minze, dazu immer noch stramme Tannine für sehr lange Lagerung – WT97+. Wird mal einer der ganz großen Latours des letzten Jahrhunderts werden. Etwas weiter zeigte sich hier der superbe 1989 Cheval Blanc, den ich in den letzten Jahren noch nie so offen erlebt habe. Ein Traum die verführerische Nase mit diesem unnachahmlichen Cheval Blanc Parfüm, dazu einfach betörende Frucht und seidige Eleganz – WT98+. Aber auch dieser Cheval Blanc wird in den nächsten Jahren deutlich zulegen und mit den besten Cheval Blanc des letzten Jahrhunderts um die Spitzenposition kämpfen. Nicht zuletzt auf Grund mäßiger Parker Bewertungen in ihrer Jugend sind zukünftige Legenden wie diese beiden und auch Margaux und Lafite immer noch zu halbwegs passablen Preisen zu finden, aber sicher nicht mehr lange.

2005 war ein eher variabler Toskana Jahrgang, nicht vergleichbar mit 2004 und 2006. Aber dieser 2005 Masseto zeigte sich trotzdem in bestechender Form und ist vielleicht der beste Wein seines Jahrgangs in der Toskana. Herrliche Brombeer- und Cassisfrucht, etwas Lakritz und Minze, sehr würzig, nicht der typische Schmusemerlot, aber mit viel Kraft und aromatischem Druck, macht mit sehr guter Struktur und Länge enormen Trinkspaß. Sehr gut entwickelt aht sich dieser Masseto, der jetzt in optimaler Trinkreife ist, sich auf diesem Niveau aber noch lange halten dürfte – WT96. Was konnte dieser Gigant im anderen Glas sein? Dieser 1992 Hill of Grace von Henschke aus perfekter Lagerung war absolut großartig und erinnerte blind etwas an Heitz Martha´s Vineyard. Noch so jung und frisch mit großartiger, süßer, dunkler Frucht, sehr ätherisch mit reichlich Minze und Eukalyptus, exzellente Struktur mit guter Säure und toller Länge, aber auch weich und in perfekter Balance, in der alle Elemente zusammenpassten – WT99.

Und dann zum (fast) Schluss noch ein Paukenschlag. Der 2003 Da Capo von der Domaine Pegau ist das beste Fass der ohnehin schon legendären Cuvée Reservé. Ein vollmundiger, sehr hedonistischer Wein mit reifer, süßer Frucht, sehr würzig, pfeffrig, der mediterranen Garrigue und der gr0ßen Kräutermischung, mit üppiger Fülle, aber nicht überladen. Robert Parkers 100 Punkte Liebling (dem Neil Martin nur 90 Punkte gab) ist sicher nichts für filigran Trinker. Aber wenn es um unlimitierten, dekadenten Trinkspaß geht, ist der Da Capo kaum zu schlagen – WT99. Ein Top Kandidat für die berühmte, eine Flasche, die man mit auf die einsame Insel nehmen darf, ist dieser 1990 Hermitage la Chapelle von Jaboulet Ainé, der Rockstar der Weinwelt. So jung, kraftvoll und wild mit einer Farbeschwarz wie Ägyptens Nächte, explosiv die Aromatik, süße, konzentrierte Cassis Frucht, so würzig mit viel Schwarzem Pfeffer, rauchig, fleischig, das dicke Steak vom Holzkohlengrill mit frischen Kräutern, viel Lakritz, dunkle Schokolade, so unglaublich präzise mit großartiger Länge und zupackende Tannine für sicher noch drei Dekaden, klar, das ist absolute Perfektion – WT100.

Zum Dessert als endgültiger Abschluss dann noch ein erstaunlich frischer 1955 Dow´s Vintage Port. Der hatte noch eine tiefe, fast altersfreie Farbe und zeigte soviel Frische, schöne pflaumige Frucht, etwas Minze, dunkle schokolade, gute Säure und eine fein dosierte, schon Richtung halbtrocken gehende Süße – WT94. 1955 war ein sehr gutes Portweinjahr und gut gelagert Weine, wie dieser Dow hier aus perfekter Flasche, werden noch Dekaden problemlos altern.