Grosse Penfolds Grange Vertikale

Ein Wetter wie Samt und Seide empfing uns. Das musste einfach ein großartiger Tag werden. Weinfreund Eugen Häfliger hatte uns zu eine Penfolds Grange Vertikale ins Parkhotel Weggis eingeladen. Also machten sich der Gregor und ich mit dem Kursboot auf nach Weggis zum ersten Teil der Probe. Bei strahlendem Sonnenschein nahmen wir dort erst mal auf der Terrasse einen Apero. Einen 2012 Röttgen Kabinett feinherb vom Weingut Knebel zauberte der Chefsommelier des Hauses, Martin Kern, in unsere Gläser. Jugendliche Primärfrucht, grüner Apfel, Birnenmost, knackige Säure, kaum spürbare Süße. schöne Schiefermineralität und gute Struktur, dürfte mit den Jahren noch zulegen - WT89. Der sehr kenntnisreiche Martin Kern ist so eine Art Billy Wagner des Südes, immer auf der Suche nach spannenden und vor allem bezahlbaren Neuentdeckungen.

Dermaßen eingestimmt ging es dann ins besternte Restaurant Annex, wo vor dem großartigen Mittagsmenü noch drei weitere Aperos warteten, diesmal von Penfolds. Der 2010 Penfolds Yattarna ging mit seiner kalkigen Mineralität und seiner perfekten Struktur ohne weiteres als großer Burgunder durch - WT95. Etwas offener zeigte sich der 2008 Penfolds Yattarna mit viel exotischer Frucht, aber ebenfalls geprägt von knackiger Säure und präziser Struktur, was ihn wohltuend vom üblichen Geschmacksbild des Neue Welt Chardonnays abhob - WT93. Reif die Farbe des 1998 Penfolds Yattarna, in der Nase Trockenfrüchte, Feigen, Datteln, am Gaumen noch erstaunlich vital, getragen von immer noch guter Säure - WT92.

Und damit waren wir beim ersten Teil der Grange-Vertikale mit den jüngeren Jahrgängen. Eher eine leichtere Grange-Variante war der 1995 Penfolds Grange, schlank, elegant mit feiner, roter Johannisbeere, aber auch Wiesenchampignons, gute Säure, wenig Länge - WT93. Mehr Kraft und Fülle zeigte der 1996 Penfolds Grange mit deutlichen Tanninen. Ein Weinbaby mit gewaltigem Potential, das mich stilistisch an große 96er Bordeaux erinnerte, baute enorm im Glas aus, kann aber sicher noch etliche Jahre Kellerlagerung vertragen. Da wächst etwas ganz großes heran - WT95+. Erstaunlich weich, reif und zugänglich, geradezu mollig wirkte der 1997 Penfolds Grange. Viel Trinkspaß und enormer Trinkfluss, aber in dieser Form keine lange Zukunft - WT94. Großes Kino dann der 1998 Penfolds Grange, etwas animalisch und wild die Nase, Cassis pur, die gewaltige, süße Frucht ummantelt die mächtigen Tannine. Ein genialer, zupackender Shiraz, gebratener Frühstücksspeck, Bitterschokolade, enorme Kraft, Dichte und Länge - WT98+.

Ein perfekter Schmusegrange war der süchtig machende 1999 Penfolds Grange mit superber Frucht, mit hedonistischer Süße und feinem Schmelz. Da ist einfach jedes Glas zu klein - WT96. Erstaunlicherweise schon ziemlich kaputt aus einem schwächeren Jahr der 2000 Penfolds Grange, der in der Anmutung eher an einen kleineren, reifen Bordeaux aus den 20ern erinnerte, Horror die Nase, am Gaumen noch etwas pflaumig-portige Frucht - WT88 mit rasch fallender Tendenz. Der 2001 Penfolds Grange ließ das sehr warme Jahr deutlich spüren und wirkte mit der überreifen Frucht etwas verbrannt. Sehr gute Struktur und mächtige, reife Tannine, aber kein typischer Grange - WT93+(?). Ganz anders der 2002 Penfolds Grange aus einem kühleren Jahr, der etwas verschlossen wirkte, aber enorme Substanz und Potential zeigte, gehört 10 Jahre weggelegt - WT95+.

Keine Nase hatte der etwas eindimensionale 2003 Penfolds Grange, keinen Abgang, aber zwischendrin reichlich süße Frucht - WT92. Faszinierend der 2004 Penfolds Grange, der längst noch nicht alles zeigte, herrliche Nase, tolle Frucht, superbe Struktur mit strammen Tanninen, sehr mineralisch, dunkelbeerig mit tiefdunkler Farbe und etwas Jod, unglaubliche Länge, so eine Art Harlan Australiens - WT97-99. Cassis pur dann beim deutlich offeneren, üppigeren, zugänglicheren 2005 Penfolds Grange, unter dessen süßer Frucht sich durchaus stramme Tannine verbergen, ein Grange mit hohem Spaßfaktor - WT97. Gewaltiges Potential und großartige Frucht zeigt der derzeit doch arg verschlossene 2006 Penfolds Grange, bei dem etliche Jahre Warten angesagt sind - WT95+.

Und dann kam als Überraschung noch der 2008 Penfolds Grange, als zweiter Grange nach 1976 mit 100 Parker Punkten versehen und entsprechend weltweit gesucht und sündhaft teuer. Ein geiles Fruchtmonster, Cassis, Cassis und nochmal Cassis, blutjung mit sehr guter Struktur und gewaltigem Potential, aus einem großen, aber sehr heißen Jahr ein etwas dichterer, aber nicht unbedingt besserer 2004er. Für mich hat der Potential für WT98. Das Weingut selbst hält übrigens die beiden Folgejahrgänge für größer.

Der zweite Teil der Grange-Vertikale fand am Abend im Gewölbekeller der Vinothek des Parkhotel Weggis statt. Auch hier hatten wir mit dem für Grange zuständigen Senior Winemaker Steve Lienert wieder einen sehr kompetenten Kommentator der einzelnen Flights.

Als Apero wurden wieder drei Weiße Grange gereicht. Der 2006 Penfolds Yattarna war ein sehr feiner, eleganter Chardonnay mit kräuteriger, minziger Frische und guter Säure - WT94. Es ist schon erstaunlich, wie gut inzwischen Penfolds mit heißem Klima umgehen kann und trotz fortschreitender Klimaveränderung Weine mit bemerkenswerter Frische und nicht überzogenem Alkoholgehalt erzeugt. Da gibt es sicher für die Winzer der Alten Welt, aber auch für die aus Kalifornien eine Menge zu lernen. Erstaunlich gut gehalten hat sich auch der 1995 Penfolds Yattarna, der noch keinerlei Alterstöne oder Schwächen zeigte - WT90. Lediglich der 2004 Penfolds Yattarna wirkte mir etwas zu heftig und alkoholisch mit wenig Finesse - WT90.

Fulminant starteten wir dann in den Abend mit einem großartigen 1966 Penfolds Grange. Sehr dichte, junge Farbe, in der Nase dunkle Früchte, Schokolade, Kaffee, Mokka und viel Lakritz, was sich auch am Gaumen mit enormer, fast unbändiger Kraft fortsetzte. Solch hoher aromatischer Druck und diese gewaltige Länge bei nur 12% Alkohol, das war bewundernswert. Ein großer Grange, der noch lange nicht am Ende ist - WT97. Legendär ist 1971 Penfolds Grange, den ich rein zufällig noch ein paar Wochen vorher auf der Raritätenprobe eines guten Freundes als perfekten WT100 wein im Glas hatte. Und das war gut so, denn hier in Weggis hatte dieser Wein einen deutlichen Fehler und entzog sich so jeder seriösen Bewertung. Einfach nochmal 10 Jahre weglegen würde ich den 1972 Penfolds Grange, der zwar gute Frucht und auch etwas Süße zeigte, durch das harte Resttannin aber etwas bissig und ungenerös wirkte. Dazu kam ein Hauch flüchtiger Säure. Da könnte aber noch mal ein sehr guter Grange draus werden, wenn die Tannine weiter abschmelzen und die Frucht durchhält - WT91+. Der 1973 Penfolds Grange war ein kleiner Grange mit wenig Charme, zeigte sich aber altersfrei mit erstaunlicher Frische - WT90. Erstaunlich fein und immer noch so frisch zeigte sich auch 1974 Penfolds Grange. Mit generöser, feiner Süße, viel Minze und einem deutlichen Hauch Eukalyptus bietet sich dieser Wein als Pirat für Proben reifer Kalifornier an - WT93.

Gastgeber Eugen Häfliger mit Penfolds Winemaker Steve Lienert

Deutlich besser hätte der 1975 Penfolds Grange sein müssen. Aber aus dieser Flasche hier erinnerte er eher an ein altes, mit Guiness angerichtetes Pilzgericht. Nein danke, so etwas brauche ich nicht in meinem Glas. Das Grauen setzte sich dann beim eigentlich legendären 1976 Penfolds Grange fort. Der hatte schlicht und einfach Kork. Da half dann nur Eines: rausblasen und unten durch trinken. Da spürte man zumindest ansatzweise einen riesemgroßen, packenden, dichten Grange, der in sehr guten Flaschen sicher das Potential für WT98-100 hat. Zu allem Überfluss stellte sich dann auch noch 1977 Penfolds Grange als eindeutig fehlerhaft heraus. Lediglich der 1978 Penfolds Grange war in diesem Flight des Grauens ein Lichtblick. Sehr junge Farbe, kernige, leicht rustikale Art, minzig, sehr frisch, feine Süße, erinnerte an 78er Kalifornier - WT92.

Doch dann ging es im nächsten Flight zur Sache. Bei 1979 Penfolds Grange, einem wein mit sehr junger Farbe und viel Substanz, irritierte zu Anfang die muffige Nase, die aber mit der Zeit etwas besser wurde, am Gaumen sehr schön mit guter Frucht - WT91. Groß dann der 1980 Penfolds Grange mit junger Farbe und einer Wahnsinnsfrucht mit schöner Süße, am Gaumen zeigte dieser noch so junge Bolide eine enorme Kraft und Dichte, kann sicher noch zulegen - WT96+. Noch eine Ecke darüber der grandiose 1981 Penfolds Grange, auch der noch so jung mit viel Cassis und schöner Süße, dicht, füllig und mit gewaltiger Länge - WT97. Der Gipfel dann 1982 Penfolds Grange, den ich noch nie so gut im Glas hatte. Kein typischer Grange war das, eher der Pomerol unter den Granges mit dekadenter Süße, mit Opulenz und einfach geilem Trinkfluss - WT99.

Jugendlich die Farbe des 1983 Penfolds Grange, herrliche, minzige Nase, am Gaumen ein balancierter, generöser Traum mit Fülle, Länge, seidiger Eleganz, aber auch noch guter Tanninstruktur. Einfach ein großer, kompletter Grange - WT96+. Zwar fehlerfrei, aber doch sehr anstrengend die Nase des 1984 Penfolds Grange, ähnlich zu Anfang am Gaumen, baute jedoch aus und wurde süßer, generöser und zugänglicher. Ob der einfach noch zu jung ist ? WT93. Ein sehr feiner Schmeichler war der 1985 Penfolds Grange mit seiner feinfruchtigen, rotbeerigen Nase, am Gaumen mit berauschender, süßer Frucht - WT94. Ein gewaltiges Konzentrat war 1986 Penfolds Grange mit superdichter Farbe und voll intakter Tanninstruktur. Sehr animierend die fruchtsüße Nase mit viel Eukalyptus, dazu am Gaumen die enorme Kraft eines großen Weines, der noch lange Jahre vor sich hat - WT98.

Schwierig präsentierte sich trotz wiederum sehr dichter, junger Farbe der 1987 Penfolds Grange, Schweißfüße in der Nase, am Gaumen sehr erdige Mineralität und deutliche Bitternote im Abgang, baute aber mit der Zeit im Glas etwas aus und wurde süßer - WT91. Etwas rustikal die Nase des 1988 Penfolds Grange mit Paprikanoten, fantastisch aber am Gaumen mit viel rotbeeriger Frucht und generöser, minziger Süße, dabei noch so blutjung - WT95. Ledrig die Nase des 1989 Penfolds Grange mit beeriger Frucht, am Gaumen ein betörendes Maul voll Wein, dabei immer noch so blutjung mit gewaltiger Struktur, kann und wird noch zulegen - WT94+. 1990 Penfolds Grange ist ein großer, balancierter Grange mit süßer, dunkler Frucht, viel Druck am Gaumen und gewaltiger Länge. Noch sehr jung mit großem Potential, wird über lange Jahre deutlich zulegen - WT95+.

1991 Penfolds Grange ist ein perfekter, großer, süchtig machender Grange mit verschwenderischer, süßer, rotbeeriger Frucht, wirkt auch am offenen Gaumen voll da, aber unter der Frucht verbergen sich noch deutliche Tannine - WT96. Jede Suche wert. Etwas kräftiger der 1992 Penfolds Grange, mehr dunkle Frucht, weniger süßer Schmelz und etwas bittre, grüne Tannine, könnte sich aber noch entwickeln - WT92. Fehlerhaft muss 1993 Penfolds Grange gewesen sein. Dieser Wein, den ich deutlich besser kenne, ist zwar nicht der größte aller Granges, aber so freudlos und anstrengend wie hier, das geht gar nicht. Ein dichter, kräftiger, komplexer Wein mit enormer Zukunft ist 1994 Penfolds Grange, braucht viel Zeit und Luft, oder besser noch etliche Jahre im Keller - WT94+.

Eine großartige Probe war das, auch wenn sich nicht jeder Wein in optimaler Verfassung präsentierte. Aber Penfolds Grange ist sowieso eine Art Wein-Chamäleon. Es gibt keine großen Grange, sondern nur große Flaschen mit Grange drin. Immer wieder präsentiert sich ein und derselbe Grange je nach Lagerung und damit je nach Entwicklungsstadium anders. So konnten weder der Gregor noch ich den Zustand des 1997 Penfolds Grange glauben. Also haben wir ihn beide in den Tagen danach erneut probiert, der Gregor in der Schweiz, ich in Düsseldorf. In beiden Fällen hatten wir einen deutlich jüngeren, komplexeren, dichteren Wein auf WT97 Niveau im Glas.

Und wenn wir in dieser Probe ab und an jammerten, dann auf verdammt hohem Niveau. Das zeigte drastisch der Tischwein, ein 1997 Astralis. Der ging eigentlich gar nicht mit seiner im Vergleich zu Grange billig wirkenden, aufdringlichen Süße. Der perfekte, umsichtige Service musste fast betteln, damit er den noch irgendwo nachschenken durfte. Gute Grange fast aller Jahrgänge sind nach wie vor jede Suche wert. Und wie bei all den gesuchten Ikonen der Weinwelt sind dabei Herkunft und Lagerung mindestens so wichtig wie der Jahrgang.