Februar 2017

Krieg und Wein

Der Klassiker russischer Literatur ist von Tolstoj "Krieg und Frieden". Mein Lieblings-Klassiker ist "Krieg und Wein".
Mit dem Thomas (Krieg) in Schweizer Restaurants Weinkarten zu plündern ist einfach wunderschön. So wie jetzt gerade erst wieder in Eders Eichmühle. Puristisch, karg und faszinierend der noch so jung wirkende 2008 Chablis Montée de Tonnerre von Raveneau mit präziser Zitrusfrucht und kalkiger Mineralität, dürfte noch zulegen – WT94+. Einfach göttlich mit verschwenderischer Beerenfrucht und burgundischer Pracht und Fülle der 2014 Gantenbein Pinot Noir, der sich hinter dem außerirdischen 2013er nicht verstecken muss. Klar ist der noch zu jung, aber jetzt in dieser unwiderstehlichen, jugendlichen Fruchtphase fällt es sehr schwer, davon zu bleiben – WT96+.
Eders Eichmühle kann ich sehe empfehlen. Das Lokal liegt malerisch oberhalb des Zürichsees bei Wädenswil. Man sitzt wunderbar mit viel Glas in einer Art Wintergarten, im Somer natürlich auf der Terrasse. Küche und Weinkarte sind vorzüglich. Und – was in der Schweiz leider selten ist – das Lokal hat auch Sonntagmittag auf.

Spucken und Schlucken

Spucken und Schlucken war Anfang Februar angesagt. Über 100faches Spucken auf der VDP Tour Ahr-Nahe-Rheinhessen-Pfalz in Köln mit den 2015er GG´s. Überwiegend sehr hohes Qualitätsniveau mit saftigen, fruchtbetonten Weinen, wo unter der satten Frucht aber genügend Struktur und Säure für längere Alterung steckte. Einige der Top-Weine dürften sich rasch wieder verschließen, wie z.B. die Hermannshöhle, an der nach einem kurzen Feuerwerk jetzt das Schild "meet me in a few years" hängt. Ich selbst werde meine eigenen 2015er, zumindest die GGs, sicher 3-5 Jahre in Ruhe lassen.
Und auch die Winzer selbst begreifen es zunehmend. Einige werden ihre 2016er erst im übernächsten Jahr ausliefern. Und zunehmend wurden hier auf der Tour reifere Gewächse gezeigt.
Reichlich Hunger war nach dieser Verkosterei angesagt und der Wunsch nach gereiften Weinen. Und da man in Köln montags eigentlich nur verhungern und verdursten kann, ging es zurück nach Düsseldorf ins Berens am Kai. Hier verwöhnte uns der Holger mit einem göttlichen Menü aus seiner neuen Karte. Im Glas dazu erst der immer noch so blutjunge, rassige 2013 Pettenthal von Keller, der im Glas zulegte und eigentlich dekantiert gehörte - WT94+. Pure Lust im Glas und einfach sexy danach dann 1995 Angelus, der mit superber Frucht wie ein Kalifornier aus Bordeaux wirkte - WT95. Schlichtweg atemberaubend und Burgund in Perfektion der 1996 Chambertin von Rousseau, einfach perfekt schon in der Nase, riechen und träumen, perfekt auch am Gaumen mit traumhafter Frucht, bei aller Kraft und Länge so unglaublich elegant, Potential für Jahrzehnte - WT99. (WT99). Sehr elegant und stimmig, immer noch mit viel Potential, der 1985 Solaia - WT97.. Perfekter Abschluss nicht die Flasche auf dem Bild, die da nicht hingehörte, sondern eine brilliante, sehr mineralische 2007 Graacher Himmelreich Spätlese von JJ Prüm mit leicht exotischer Frucht und für den Jahrgang erstaunlich kräftiger Säure - WT95.

Riesling rocks Algarve

Rieslingwetter im Februar? Kein Problem an der Algarve, wo es schon sehr frühlingshaft war. Im Vila Vita Parc habe ich für meine portugiesischen Freunde 12 trockene, deutsche Riesling Raritäten geöffnet

Perfekter Start die noch so frische, animierende, sehr mineralische 2001 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Spätlese trocken von Fritz Haag – WT93. Da hätte jetzt gut nach die furztrockene, elegante, aber auch stoffige und enorm druckvolle 2004 Bernkasteler Lay Spätlese trocken von Molitor mit ihrer feinen Mineralität gepasst. Aber die wollte hier nicht mitspielen und zeigte üblen Kork. Vielleicht gebe ich ihr 2018 an der Algarve noch mal eine Chance.

2003 galt durch Hitze und entsprechend frühe Ernte als schwieriges, weil auch säurearmes Jahr. Aber den besten Weinen der besten Winzer scheint das nichts ausgemacht zu haben. So diesem 2003 Hubacker GG von Keller, der noch so unglaublich frisch und druckvoll war und auch eine sehr gute Säure zeigte, beeindruckend – WT95. Letzteres galt auch für die 2006 Abtserde GG von Keller, der man das schwierigere Jahr nicht anmerkt. Hoch elegant mit wunderbarer Frucht, intensiver Mineralität und superber Struktur – WT95.

Und dann kam dieser best ever 2002 Idig GG von Christmann ins Glas. Hatte ich noch nie so gut, ein zeitloses, unglaublich druckvolles Monument mit glockenklarer Frucht und in dieser Form noch langer Zukunft – WT97. Kaum dahinter und fast noch jünger wirkend mit Rasierklingen-Präzision und intensiver Mineralität dieser unsterbliche 1999 Schlossberg von Breuer, der ebenfalls kein Zeichen von Alter oder Müdigkeit zeigte – WT96.

Jetzt kamen zwei Prachtstücke aus meinem Lieblings-Jahrgang 2004. Langsam gingen mir die Superlative aus. Die noch blutjung scheinende 2004 Hermannshöhle GG von Dönnhoff

kam klar wie ein Gebirgsbach mit sehr heller, jugendlicher Farbe ins Glas. Was für eine Strahlkraft, was für eine Brillianz, und dann diese irre Mineralität, liquid rocks, was für ein Potential – WT96+. Und dann dieser Montrachet unter den Rieslingen, das 2004 Kirchenstück GC von Bürklin-Wolf mit burgundischer Pracht und Fülle – WT97+. Bei beiden 2004ern habe ich das Gefühl, dass sie noch zulegen können.

Sehr ärgerlich dann der zweite Kork beim sonst so überragenden 2009 Felseneck GG von Schäfer-Fröhlich. Kaufen Eure Winzer nur billigsten Kork, fragten meine portugiesischen Freunde. Zwei von Zwölf ist einfach eine nicht akzeptable Quote.

Also ganz schnell die 2007 Hölle Goldkapsel Auslese trocken von Künstler ins Glas, ein Monument mit monumentaler Kraft. Da strahlte nicht nur Vila Vita Boss Kurt Gillig, der mit Gunter Künstler befreundet ist und mit ihm den wunderbaren Alvarinho von Künstler ausgeheckt hat. Einfach ein Riese dieser Wein, der spontane Glücksgefühle erzeugt und noch weiter zulegen könnte – WT96+.

Mit zwei interessanten Jungspunden endete unsere Verkostung. Der 2011 Rüdesheimer Berg Rottland von Künstler hat das Potential, das Rüdesheimer Gegenstück zur Hochheimer Hölle zu werden. Die reife Frucht täuschte etwas, da ist noch enorme Struktur und viel Substanz für eine längere Zukunft – WT95+. Absoluter Babymord der 2011 Rothenberg Wurzelecht von Kühling Gillot, ein sehr tiefgründiger, komplexer Wein, der erst in 5+ Jahren alles offenbaren wird. Macht jetzt schon mit dieser traumhaften, präzisen Frucht immensen Trinkspaß auf sicher WT96 Niveau, aber da kommt noch deutlich mehr. Ein Gigant im Werden.

Statt Pappnase

Wir waren gerade erst aus Portugal zurück, ausgerechnet am Karnevalssamstag. Und das wir, als nicht gerade Karnevals-Freaks. Da traf es sich doch gut, dass am Rosenmontag eine liebe Freundin Geburtstag hatte und hier lieber Mann zwar ein schlechter Karnevalist, aber ein begnadeter Koch ist. Aus beiden Kellern stellten wir dazu die passenden, feinen Tröpfchen. So fühlten wir uns an diesem Rosenmontag wie auf Rosen gebettet, aber ohne Pappnase.

Erstaunlich zugänglich die 2009 Abtserde GG von Keller mit feinem, fruchtigem Schmelz, sehr elegant – WT95. Sehr elegant und finessig auch ein 2004 Chevalier Montrachet von Sauzet mit feinem, nussigem Schmelz – WT95. Großartig wieder mal eine 1955 Imperial Gran Reserva von CVNE, die war so elegant und fein mit immer noch frischer Frucht, absolut stimmig, das Beste aus Bordeaux und Burgund – WT95. Heute ist CVNE leider ein Massenbetrieb, aber was dort bis in die 70er hinein produziert wurde, war große Klasse. Dicht, kräftig, auch leicht portig und mit etwas Lakritz der noch so vitale 1955 Pommard von Arthur Barolet – WT94. Ob da ein Schuß Rhone mit drin war? Etwas völlig anderes hatte ich mir beim 1955 Chambertin Vandermeulen versprochen, der sich komplett anders präsentierte als das, was die Vandermeulens 1947 gekauft und abgefüllt hatten. Ein sehr feiner, schlanker, frischer und eleganter, aber auf hohem Niveau auch enttäuschender Wein – WT93. Wenn er denn dann echt war, erstaunt das sehr, denn alle anderen Burgunder von Vandermeulen aus 1955 sind deutlich kräftiger und ausdrucksstärker. Dass da ausgerechnet der Chambertin den Filigranen spielt, mag ich nicht glauben.

Und dann wurde es Hardcore. Dieser 1955 L´Eglise Clinet in einer Barrière-Abfüllung war wieder schlicht und einfach sagenhaft gut. Superdichte Farbe, immer noch intaktes Tanningerüst, superbe dunkelbeerige Frucht ein gewaltiges Konzentrat mit Kraft und Länge ohne Ende, dazu einem Schuss Port. Dürfte in dieser Form noch sehr lange Spaß machen – WT99. gegen dieses Hammerteil wirkte der sehr würzige, stimmige 2000 Vega Sicilia Unico schon fast elegant gegen, denn der lange verschlossene Unico zeigte sich jetzt hier erstaunlich zugänglich, könnte aber noch zulegen – WT95+. Schlichtweg atemberaubend dann dieser 2000 La Mission Haut Brion, die moderne Wiedergeburt des 82ers, der trotz seiner Jugend eine immense Strahlkraft zeigte – WT99+. Kaum davon entfernt der 1990 Haut Brion, der seiner eigenen 89er Legende immer dichter auf den Pelz rückt, vielleicht nicht so dramatisch wie der derzeit etwas verschlossene 89er, dafür offener und so unglaublich stimmig – WT99. Feiner, sehr eleganter Abschluss dann der 2005 Gantenbein Pinot Noir, der unsere Gaumen in feinste Seide packte – WT95.

So würde ich gerne öfters Karneval feiern.